Vor kurzem fand in Marx ein Schönheitswettbewerb unter Russlanddeutschen mit dem Titel „Miss Nationalschatz 2025“ statt. Sieben Kandidatinnen aus verschiedenen Städten der Wolgaregion kämpften um den Titel. Die absolute Siegerin war Maria Gerber, Korrespondentin der Regionalzeitung „Woloschka“ (Stadt Marx). Im Interview erzählte Maria über den Wettbewerb, den Beruf der Journalistin und ihre Leidenschaft für die Theaterkunst.

- Erzählen Sie uns etwas über Ihre Familie. Sind Sie eine Wolgadeutsche?

Ich lebe mit meiner Mutter und meinem jüngeren Bruder zusammen. Den deutschen Nachnamen Gerber habe ich von meinem Vater. Aber ich hatte mit ihm nur kaum Kontakt gehabt, daher weiß ich leider sehr wenig über die Geschichte meiner Vorfahren. Nur das die Verwandte väterlicherseits Wolgadeutsche sind.

Kürzlich sah meine Kollegin im Gedenkbuch der Region Saratow den Namen eines vermissten Teilnehmers des Großen Vaterländischen Krieges, eines Einheimischen aus dem Dorf Borodaewka im Bezirk Marx, Adolf Gerber. Sie fragte mich, ob wir verwandt seien. Zu meiner Schande wusste ich es nicht. Ich fragte bei meiner Großmutter (der Mutter meines Vaters) nach. Es stellte sich heraus, dass Adolf Gerber mein Ururgroßvater war. Er war Russlanddeutscher und meldete sich freiwillig zur Verteidigung unseres Vaterlandes.

- Wie haben Sie Ihren zukünftigen Beruf gewählt? Wie sind Sie eben zum Journalismus gekommen?

Ehrlich gesagt hätte ich nie gedacht, dass ich einmal Journalistin werden würde. Ich träumte davon, eine Schauspielausbildung zu bekommen, aber am Ende der 11. Klasse entschied ich mich aufgrund familiärer Umstände, an der Staatlichen N.G.-Tschernyschewski-Universität Saratow Russisch- und Literaturlehrerin zu werden. Ich liebe Kinder, lese gern und habe schon immer gerne Sprachen studiert, daher entschied ich, dass die Fachrichtung „Philologe“ auch zu mir passen würde.

Maria Gerber bei der Arbeit in der Redaktion der Zeitung „Woloschka“

Maria Gerber bei der Arbeit in der Redaktion der Zeitung „Woloschka“

Ich bin derzeit Fernstudentin im fünften Jahr. Ich habe diese Studienform gewählt, um sie mit meiner Arbeit zu verbinden.

Seit meinem 17. Lebensjahr arbeite ich Teilzeit. Ich war Beraterin in einem Geschäft, Administratorin und Kellnerin. Natürlich habe ich mich selbst nicht in all dem gesehen. Ich habe gearbeitet, um meiner Mutter zu helfen. Schon damals, mit 17, verstand ich, dass ich etwas ändern, nach mehr streben und mein Potenzial nutzen musste. Seit meiner Kindheit habe ich es geliebt, Aufsätze zu schreiben, nicht nur in der Schule, sondern auch einfach für mich selbst. Ich hatte ein großes Notizbuch, in dem ich meine Gedanken niederschrieb, und sogar im Internet eine Seite namens „Marias Notizen“ erstellt, wo ich meine eigenen Gedichte und anderes veröffentlichte. Leider habe ich diese Seite spontan gelöscht, aber einige Gedichte und Aufsätze sind erhalten geblieben. Zum Beispiel ich bewahre die Ausgabe der Regionalzeitung „Woloschka“, wo mein Gedicht „Frühe Liebe“ veröffentlicht wurde. Ich war damals 11 Jahre alt. Hätte ich mir einmal vorstellen können, dass ich eines Tages in dieser Zeitung selbst arbeiten würde?!

Eine Seite der Zeitung „Woloschka“ mit dem Gedicht von Maria Gerber

Eine Seite der Zeitung „Woloschka“ mit dem Gedicht von Maria Gerber

- Wie kamen Sie zur Zeitung „Woloschka“? Worüber schreiben Sie?

Ich kam mit 19 Jahren auf Anraten meiner Freundin in die Redaktion. Sie meinte, ich solle es unbedingt versuchen, vielleicht klappt es ja. Ich hatte ein Vorstellungsgespräch mit der Chefredakteurin Julia Michalskaja und erzählte ihr, was ich kannte und wusste. Damals wurde in der Zeitung eine Kolumne eingerichtet – Menschen erzählten Erinnerungen an Hochzeiten und Geschichten von Verwandten und Freunden. Die Chefredakteurin schlug mir vor, einen Artikel für diese Kolumne zu schreiben. Ich schrieb über die Geschichte, wie sich meine Großeltern kennengelernt haben. Das gefiel ihr sehr. So wurde ich Korrespondentin!

Nach dreieinhalb Jahren Arbeit in den regionalen Medien schreibe ich über alles Mögliche. Dazu gehören offizielle Geschäftstreffen, Sitzungen, Konferenzen sowie Essays über Landsleute und kulturelle und sportliche Veranstaltungen. Unter anderen ein Essay über unsere Landsleute, zum Beispiel über Major der Luftlandetruppenreserve Alexander Trufanow. Eine der letzten Materialien darüber, wie ich als Teil einer Journalistendelegation aus verschiedenen Regionen des Gebiets Saratow eine Pressereise auf dem Schiff „Waldai“ unternahm.

In diesem Jahr wurde ich Preisträgerin des Wettbewerbs des Informationsministeriums um den Preis des Gouverneurs der Gebiets Saratow im Bereich Journalismus. Ich schickte meine Bewerbung, in der ich erzählte, was ich dieses Jahr gemacht habe, und fügte meine Zeitungsartikel bei.

Auszeichnung für Maria Gerbers Teilnahme am patriotischen Wettbewerb „Wolschskij-Kaleidoskop“

Auszeichnung für Maria Gerbers Teilnahme am patriotischen Wettbewerb „Wolschskij-Kaleidoskop“

- Maria, herzlichen Glückwunsch zu ihren Leistungen! Und sagen Sie, schreiben Sie auch über die Veranstaltungen der Selbstorganisation der Russlanddeutschen? Davon gibt es in der Region ja viele, vor allem in diesem Jahr, dem Jubiläumsjahr der Stadt Marx.

Ja, natürlich, ich schreibe auch über diese Veranstaltungen. Eines der letzten ist zum Beispiel das Material über die Kreativakademie in Marx, aus der die Theateraufführung „Der Lebensbaum“ (Regie: Viktor Pretzler) hervorging. Ich war sowohl als Teilnehmerin dort – ich spielte die Brautjungfer – als auch als Korrespondentin – mein Artikel wurde in „Woloschka“ veröffentlicht.

Eine Szene aus der Theateraufführung „Der Lebensbaum“

Eine Szene aus der Theateraufführung „Der Lebensbaum“

- Wann und wie sind Sie zur Selbstorganisation der Russlanddeutschen gekommen?

Ich beschäftige mich mit Fotografie und mache Fotoshootings.

Letztes Jahr wurde ich als Fotografin von der Jugendgruppe der Russlanddeutschen „Jugendstadt“ eingeladen, mit ihnen auf Tournee nach Krasnodar und Armawir zu gehen. Die Jugendliche aus der Gruppe sind unglaublich, jeder von ihnen ist talentiert, kreativ und vielseitig! Nach der Zeit mit ihnen wurde mir klar, dass ich auch mehr über die Kultur und Traditionen meiner Vorfahren erfahren möchte. Seit kurzem bin ich Leiterin des Jugendclubs „Total“ im Deutsch-Russischen Haus der Stadt Marx.

- Sie haben den kürzlich stattgefundenen Wettbewerb „Miss Nationalschatz 2025“ gewonnen. Erzählen Sie uns, wie wurden Sie zur Teilnehmerin? Was haben Sie beim Wettbewerb präsentiert?

An dem Tag, als ich zum ethnokulturellen Projekt „Der Lebensbaum“ mich vorbereitete, rief mich ein Mitarbeiter des Deutsch-Russischen Hauses in Marx an und fragte, ob ich nicht am Wettbewerb „Miss Nationalschatz 2025“ teilnehmen wollte. Natürlich habe ich sofort zugesagt! Ich bin immer überall dabei! Und generell ist es für mich eine große Ehre, die Kultur der Russlanddeutschen zu repräsentieren.

Die ganze Familie hat sich auf den Wettbewerb vorbereitet! Zusammen mit meinem jüngeren Bruder Artjom lernten wir tanzen (er hatte noch nie zuvor auf der Bühne getanzt). Er war sehr aufgeregt, aber er hat es geschafft! Mittlerweile ist er übrigens auch Mitglied des Jugendclubs „Total“. Meine Mutter hat mir beim Basteln geholfen. Ich hatte eine Idee: Auf einer Holzkiste ein Porträt von Kaiserin Katharina II. nachzubilden, auf deren Einladung die Deutschen hierher, in meine Heimatstadt Marx, zogen, um das Land zu erschließen. Der Wettbewerb war dem 260. Jahrestag der Stadt gewidmet, daher beschloss ich, diese Kiste symbolisch „Marx-Box“ zu nennen. Das Porträt wurde mit einem Brandmalgerät erstellt. Auf der Kiste waren auch Russlanddeutsche und eine Mühle abgebildet (in unserer Stadt wurde einst der beste Weizen angebaut). In der Kiste befindet sich eine Applikation. Aus Filz habe ich ein Bild des „Brot-Schiffsladeplatzes“ (russisch „Chlebnaja Pristanj) – eines Wahrzeichens von Marx – und ein Bild des Wappens der Region Marx angefertigt.

„Marx-Box“, die von der Familie Gerber für den Wettbewerb vorbereitet wurde

„Marx-Box“, die von der Familie Gerber für den Wettbewerb vorbereitet wurde

Meine kreative Nummer war eine Rezitation von Johann Wolfgang von Goethes Gedicht „Gefunden“ auf Deutsch. Um die Aufführung etwas abwechslungsreicher zu gestalten, kam ich auf die Idee einer kleinen Szene. Mein Bruder spielte eine Blume (ich habe ihm auch selbst einen Blumenhut gemacht), und ich war die Person, die diese Blume fand (laut Gedicht). Zum Abschluss führten wir einen Tanz auf.

Auf der Leinwand war eine poetische Übersetzung meiner eigenen Komposition ins Russische zu sehen.

Ich habe mich auch sehr auf die Modenschau vorbereitet. Ich habe lange nach einem Abendkleid gesucht.

Maria Gerber mit ihrem jüngeren Bruder Artjom während der Aufführung

Maria Gerber mit ihrem jüngeren Bruder Artjom während der Aufführung

- Sie haben Deutsch für die Aufführung gewählt, das Gedicht sogar selbst übersetzt. Haben Sie die Sprache in der Schule gelernt?

In der Schule hatte ich zuerst Englisch und ab der 8. Klasse auch Deutsch. Aber Deutsch gefiel mir immer besser, irgendwie fiel es mir leichter.

- Jede Wettbewerbsteilnehmerin musste eine Videopräsentation über sich selbst vorbereiten. Worüber haben Sie erzählt?

Bei der Erstellung des Videos half mir der Radiomoderator Sergej Belskij. Ich sprach über mich, meine Arbeit und meine Hobbys.

Ich lese gerne Bücher, rezitiere Gedichte und Prosatexte. Ich fotografiere, erstelle Videos, bin aktiv in den sozialen Netzwerken und nehme an verschiedenen Wettbewerben und Projekten teil. Ich habe ständig das Bedürfnis, irgendwo mitzumachen und aktiv zu sein! Ich war auch in der Schule aktiv und habe ein umfangreiches Portfolio aufgebaut. Ich habe wahrscheinlich etwa hundert Dankesbriefe und Zertifikate.

- Wie haben Sie ihrer Meinung nach den Wettbewerb gewonnen? Es waren sieben jungen Frauen, die um den Titel „Miss Nationalschatz 2025“ kämpften, und jede hat sich vorbereitet. Wie haben Sie die Jury überzeugt?

Ehrlich gesagt, weiß ich es nicht. Wenn ich an der Stelle der Jury wäre, wäre es für mich schwierig, eine Auswahl zu treffen, denn alle Mädchen waren großartig, alle gut vorbereitet, es gab wirklich starke Videopräsentationen und Aufführungen. Was die Jurymitglieder vielleicht überzeugt hat, war, dass ich keine Angst vor der Bühne habe und es mir große Freude macht aufzutreten, vor dem Publikum 100 % gebe und mich an die Rolle und an alles, was ich tue, gewöhne. Wichtig ist auch, dass wir uns mit der ganzen Familie vorbereitet haben. Das ist wahrscheinlich offensichtlich, wenn man etwas nicht alleine macht. Sowohl meine Mutter als auch mein Bruder haben geholfen – wir alle wollten die Kultur der Russlanddeutschen würdig repräsentieren. Sie nicht nur der Jury, sondern vor allem dem Publikum zeigen. Die Hauptsache ist, alles von Herzen zu tun, damit es nicht nur Show ist. Als ich zum Beispiel meine Handarbeit präsentierte, geriet ich fünfmal, wenn nicht öfter, ins Stolpern. Das lag daran, dass ich sie nicht mit einem auswendig gelernten Text vortrug, sondern die Wahrheit sagte, so wie sie ist. Ich gab zu, dass ich noch nie vorher gebastelt hatte, aber dank des Wettbewerbes entdeckte ich viele neue Möglichkeiten für mich. Und ich glaube, meine Fähigkeit, mich auf der Bühne zu halten, meine Aufrichtigkeit, erregten die Aufmerksamkeit der Jury. Nun, das ist meine Meinung, aber was ihre Entscheidung beeinflusst hat, weiß ich natürlich nicht.

- Sie sagten, Sie wollten auf eine Schauspielschule gehen, und obwohl Ihr Traum nicht in Erfüllung ging, zieht es Sie immer noch zur Bühne...

Ja, ich trete von Zeit zu Zeit irgendwo auf. Meistens rezitiere ich natürlich Gedichte oder Prosaauszüge. Das Repertoire hängt vom Thema der Veranstaltung ab. Wenn es ein patriotischer Wettbewerb ist, wähle ich den passenden Text aus. In naher Zukunft plane ich, zum Studio Theater „Alliance“ (Leitung: Natalia Zabaluewa) zurückzukehren. Ich war bereits Mitglied des Studios, aber nicht lange.

Maria Gerber spielt die Freundin eines Soldaten bei einem Festkonzert zum Tag des Sieges im Zentralen Kulturhaus der Stadt Marx

Maria Gerber spielt die Freundin eines Soldaten bei einem Festkonzert zum Tag des Sieges im Zentralen Kulturhaus der Stadt Marx

- Warum haben Sie das Studium im Studio abgebrochen?

Ich besuchte das „Alliance“-Studio in der 9. Klasse, es begannen Prüfungen an der Schule und ich musste mich daran intensiv vorbereitet, so dass ich nur kaum Zeit für etwas anderes hatte. Vor kurzem habe ich eine Stellenanzeige gesehen, und beschloss, dass ich mich bewerben muss!

Maria, vielen Dank für das interessante Gespräch. Wir wünschen Ihnen weiterhin viel Erfolg!