Lilia Folmer gilt als enthusiastische Künstlerin, die Herausforderungen nicht scheut. Ihre Werke sind in Kaliningrad und der Umgebung, in Privatsammlungen und Innenräumen zu finden. Sie arbeitet auf Gerüsten in großer Höhe, bei Hitze und Unwetter, was viel Ausdauer und Entschlossenheit erfordert. Im Interview für unsere Webseite erzählte Lilia über ihren künstlerischen Stil, die Herausforderungen, die vor dem Künstler stehen, und die aktuelle Ausstellung „Licht und Farbe“, die in diesen Tagen in Kaliningrad zu sehen ist.

- Lilia, wann haben Sie angefangen zu malen?

Ich begann zu malen mit drei Jahren. Den Großteil meiner Kindheit verbrachte ich nicht mit Spielzeug, sondern mit Buntstiften, Farben und Pinseln in der Hand. Dank meiner kreativen Eltern – meine Mutter absolvierte die Kunstschule und arbeitet als Juwelierin, mein Vater studierte Malerei in einer Kunstwerkstatt, obwohl es nicht sein Beruf, sondern seine Leidenschaft wurde – lernte ich, die Schönheit der Welt um mich herum zu sehen. Wir lebten außerhalb der Stadt und machten oft Abendspaziergänge mit dem Hund. Meine Eltern schenkten immer große Aufmerksamkeit den wunderschönen Sonnenuntergängen. „Schau, wie diese Farbe mit jener schimmert, wie sie sanft in eine andere übergeht“, sagten sie. Und ich versuchte, dies auf Papier festzuhalten. Hauptsächlich zeichnete ich die Natur und Tiere. Mit zwölf Jahren begann ich die Kunstschule und schloss sie mit siebzehn ab. Danach trat ich in die Filiale der Moskauer Staatlichen K.G.-Rasumowski-Universität für Technologie und Management in Kaliningrad im Hauptfach „Design“ ein. Mein Beruf ist also eher designorientiert, aber natürlich hatten wir auch Fächer wie Malerei, Zeichnen und Komposition. Einen Großteil meiner Freizeit habe ich der persönlichen Weiterentwicklung gewidmet, und vieles, was ich heute tun kann, erschaffe ich selbst. Nach dem Studium habe ich vier Jahre lang an der Kunstschule gearbeitet, die ich früher mal selbst absolvierte. Die letzten Jahre bin ich selbstständig – mache Aufträge, gebe Privatunterricht und helfe den jungen Menschen sich auf die Aufnahmeprüfungen in den Kunsthochschulen und Universitäten vorzubereiten.

„Meer, Sonnenuntergang“, 2023. Eines von Lilia Folmers Gemälden in der Ausstellung „Licht und Farbe“

„Meer, Sonnenuntergang“, 2023. Eines von Lilia Folmers Gemälden in der Ausstellung „Licht und Farbe“

- In welchem Stil arbeiten Sie vorwiegend?

Ich male sowohl impressionistisch als auch realistisch. Also kann mein Stil als hybrid bezeichnen werden. Ich hatte zum Beispiel eine Reihe von Aufträgen für die Ostseewerft „Jantar“ (deutsch „Bernstein“) – und malte Schiffe vor dem Hintergrund des Meeres. Das waren rein realistische Werke. Meine eigenen kreativen Arbeiten male ich mit etwas Fantasie und verschönere die Realität.

Ein Gemälde, angefertigt von Lilia im Auftrag von Ostseewerft „Jantar“ (deutsch „Bernstein“)

Ein Gemälde, angefertigt von Lilia im Auftrag von Ostseewerft „Jantar“ (deutsch „Bernstein“)

- Derzeit läuft in Kaliningrad eine Ausstellung von Ihren Werken. Sie haben schon länger nicht mehr ausgestellt. Warum?

Wirklich, eine ähnliche Ausstellung gab es seit zehn Jahren nicht mehr. Meine erste Einzelausstellung fand 2015 im Deutsch-Russischen Haus statt. Davor habe ich an vielen Gruppenausstellungen teilgenommen. Vor allem natürlich in Kaliningrad – in der Kunstgalerie und im Regionalmuseum für Geschichte und Kunst, aber ich hatte auch Projekte im Ausland – ich stellte in meine Studienjahre in Polen und Deutschland aus. Da ich in den letzten Jahren hauptsächlich auf Auftragsbasis gearbeitet habe, war eine Einzelausstellung keine Option – ich hatte einfach keine Arbeiten zur Verfügung. Alles, was ich gemacht habe, war Auftragsarbeit – Gemälde, große Interieur-Stücke, Wandmalereien. Jetzt verspürte ich den starken Wunsch, meine Arbeiten zu präsentieren. Auf der Ausstellung sind meine Werke dargestellt, die ich in den letzten Jahren angesammelt habe.

Ausstellung der Gemälde der Schwestern Lilia Folmer und Swetlana Rykowa, „Licht und Farbe“

Ausstellung der Gemälde der Schwestern Lilia Folmer und Swetlana Rykowa, „Licht und Farbe“

- Wie haben Sie die Bilder für die Ausstellung ausgewählt? Warum wollten Sie gemeinsam mit Ihrer Schwester ausstellen?

Die Ausstellung zeigt Landschaften, die ich inspiriert von der Natur des Kaliningrader Gebiets gemalt habe. Wir wollten eine sehr warme Atmosphäre gestalten. So habe ich die Bilder nach meiner Stimmung ausgewählt, also die sonnigsten und hellsten, die Sommer oder Frühling darstellen. Meine Schwester wiederum stellte ihre abstrakten Werke aus. Wir haben uns bewusst für eine Trennung entschieden, um zu zeigen, dass obwohl wir Schwestern sind, sind wir beide sehr unterschiedlich: Die eine ist eine realistische Landschaftsmalerin, die andere eine abstrakte Künstlerin. Obwohl ich auch ab und zu mit Abstraktion arbeite. Die meisten Aufträge sind in der letzten Zeit eben in diesem Stil.

- Neben Gemälden bemalen Sie auch Wände und Gebäudefassaden. Wohin werden Sie meistens eingeladen? Wo kann man Ihre Arbeiten sehen?

In der Regel sind es Privathäuser und Wohnungen. Am häufigsten werden Kinderzimmer, manchmal auch Wohnzimmer oder Küchen angefragt, wenn der Platz es zulässt. Auch Treppenhäuser sind oft leere Räume, die man füllen möchte. Ein denkwürdiger Auftrag war eine Darstellung von Paris im Haus eines jungen Paares. Sie hatten ein Foto, das sie an die Wand bringen wollten. Die Arbeit musste unter schwierigen Bedingungen erledigt werden – auf einem Treppenabsatz ohne Geländer. Einiges konnte ich im Stehen malen, aber der Großteil der Arbeit wurde auf der Leiter erledigt, an die Wand gelehnt, ohne jegliche Sicherheitsausrüstung. Ich gebe zu, es war ein bisschen beängstigend; ich hatte Angst runter zu fallen. Aber ich habe den Auftrag ausgeführt, und die Kunden waren zufrieden. Generell bin ich ein großer Enthusiast und nehme oft ungewöhnliche, komplexe Projekte an und bin dann entschlossen, sie um jeden Preis abzuschließen.

Lilia Folmer beim Bemalen eines Treppenhauses

Lilia Folmer beim Bemalen eines Treppenhauses

Meine Gemälde sind beispielsweise auf dem Forschungsschiff „Kosmonaut Viktor Pazajew“ im Museum der Weltmeere zu sehen. Ich habe zwei recht große Gemälde in Auftrag angefertigt, die in der Offiziersmesse des Schiffes hängen. Am Eingang des Kaliningrader Handelshafens hängt ein Globus an einer Stelle: Die darauf abgebildeten Kontinente sind mein Werk.

Eines der Gemälde, das im Forschungsschiff „Kosmonaut Viktor Pazajew“ hängt

Eines der Gemälde, das im Forschungsschiff „Kosmonaut Viktor Pazajew“ hängt

Im Foyer des Varieté-Theaters „Jantar-Holl“ in Swetlogorsk hängt ein Gemälde von mir, das ich im Rahmen des klassischen Musikfestivals „Sinfonie des Windes“ gemalt habe.

Lilias Originalwerk für das Festival „Sinfonie des Windes“

Lilias Originalwerk für das Festival „Sinfonie des Windes“

Auch Computerspielclubs, Cafés und Restaurants sprechen mich häufig an. Auf der Kurischen Nehrung gibt es beispielsweise ein Café in Form eines großen Fisches namens „Am Haken“, dessen Kopf ich gemalt habe.

Ich hatte auch ein interessantes Erlebnis beim Malen ornamentaler Wandmalereien in der Kirche des Heiligen Patriarchen Tichon in Polessk. Ich arbeitete mit der Moskauer Restaurierungswerkstatt „KITESCH“ zusammen. Sie malten die Gesichter von Heiligen, Ikonen in großer Höhe, und ich beschäftigte mich speziell mit der Ornamentik.

Ornamentale Malerei in der Kirche des Heiligen Patriarchen Tichon, Polessk, Kaliningrader Gebiet

Ornamentale Malerei in der Kirche des Heiligen Patriarchen Tichon, Polessk, Kaliningrader Gebiet

- Was ist das Besondere am Wandbemalen? Welches Ihrer Werke ist Ihrer Meinung nach das einzigartigste – ungewöhnlichste, herausforderndste?

Wandbemalen ist für mich sicherlich anspruchsvoller als Malen. Die Bilder male ich in einer angenehmeren Umgebung – in meinem Atelier, wo ich stehen oder manchmal sogar sitzen kann. Wände zu bemalen, insbesondere meine letzten Werke, ist eine echte Herausforderung. Neben künstlerischem Geschick braucht man auch etwas sportliches Training, das ich glücklicherweise habe. Wie bereits erwähnt, möchten die Leute oft etwas in großer Höhe malen, sodass ich auf einem Gerüst arbeiten muss.

Lilias Werk am Eingang des Kaliningrader Seehandelshafens

Lilias Werk am Eingang des Kaliningrader Seehandelshafens

Bis vor Kurzem hielt ich das Bemalen der Gebäudefassade für das anspruchsvollste Projekt meines Lebens. Ich bemalte ein Gästehaus in Pionerski, einer Küstenstadt im Gebiet Kaliningrad. Ich musste in zwei Stockwerken Höhe arbeiten. Dies war das anspruchsvollste Projekt bis ich gebeten wurde, einen Löwen auch in der Höhe des zweiten Stockwerkes zu malen. Das Motiv aufzutragen war sehr aufwendig – der Löwenkopf musste riesig sein und auf verschiedenen Ebenen angebracht, sodass ich auf Gerüste klettern und wieder herunterkommen musste. Also konnte man sich sehr leicht verlaufen, aber ich berechnete alles, und es klappte.

Arbeiten an einem Löwengemälde, Baltijsk

Arbeiten an einem Löwengemälde, Baltijsk

Die Fassade des Gebäudes war in dieser Hinsicht einfacher – sie bestand aus identischen Ornamenten für jedes Fenster. Ich bereitete in meinem Atelier Schablonen vor, wo ich angenehmere Bedingungen hatte, die ich vor Ort nachzeichnen und ausfärben musste, um Volumen zu erzeugen. Dieser Auftrag war anspruchsvoller, weil ich den ganzen Sommer draußen arbeitete, vom frühen Morgen bis zum Sonnenuntergang, bei jedem Wetter – sowohl in der Hitze als auch bei kühlem, windigem Wetter. Natürlich konnte ich nicht im Regen arbeiten, sonst wäre die ganze Farbe verlaufen. Aber selbst dann passierte etwas Komisches: Es regnete plötzlich, bevor die Farbe getrocknet war, und alles lief die Fassade des Gebäudes herunter. Schnell wurde alles mit einem Schlauch abgewaschen. Meine ganze Arbeit war umsonst, und ich musste an sonnigen Tagen alles neu malen. Ich habe zwar viel Erfahrung gesammelt, aber es war auch sehr stressig. Der Löwe war in dieser Hinsicht einfacher, da er im Gebäude dargestellt wurde. Insgesamt waren beide Jobs auf ihre Weise herausfordernd.

Lilia Folmer neben einem zweistöckigen Gästehaus, dessen Fassade sie bemalte

Lilia Folmer neben einem zweistöckigen Gästehaus, dessen Fassade sie bemalte

- Sie engagieren sich aktiv in der Selbstorganisation der Russlanddeutschen. Welche Projekte möchten Sie hervorheben?

Ich arbeite eng mit dem Internationalen Verband der deutschen Kultur, dem Jugendring der Russlanddeutschen und dem Kultur- und Geschäftszentrum der Russlanddeutschen in Kaliningrad zusammen. Das denkwürdigste Projekt war wohl das „Ethnolabor für Volkshandwerk der Russlanddeutschen“, das 2015 im Kultur- und Bildungszentrum „ETHNOMIR“ in der Region Kaluga stattfand. Ich beteiligte mich dort nicht als Referentin, sondern als Teilnehmerin. Das Programm umfasste viele interessante Aktivitäten, alles war gut organisiert und ich hatte die Gelegenheit, viele kreative Menschen kennenzulernen.

Illustrationen zu Woldemar Herdts Märchen „Das tapfere Häschen“

Illustrationen zu Woldemar Herdts Märchen „Das tapfere Häschen“

In Zusammenarbeit mit dem Jugendring der Russlanddeutschen führten wir das Projekt „Hörmärchen der Russlanddeutschen“ durch. Außerdem gestaltete ich Weihnachtskarten, die an Begegnungszentren und Jugendclubs in ganz Russland verschickt wurden. Ich zeichnete wunderschöne Wintermuster auf blauem Grund. Beim Aufschlagen sah man ein Rezept für traditionellen deutschen Stollen und die nötigen Zutaten.

Umschlag und Innenseite der Weihnachtskarte

Umschlag und Innenseite der Weihnachtskarte

Ein weiteres interessantes Projekt war die Gestaltung eines Gemäldes für das Buch „Vom Himmel hoch, da komm' ich her…“. Es enthielt Bilder von Kirchen und Kathedralen, die während einer Freilichtmalerei in der Wolgaregion entstanden. Aufgrund meines vollen Terminkalenders konnte ich daran nicht teilnehmen, malte aber dafür die Kathedrale in Kaliningrad.

Doppelseite von dem Buch „Vom Himmel hoch, da komm ich her…“ mit dem Werk von Lilia Folmer

Doppelseite von dem Buch „Vom Himmel hoch, da komm ich her…“ mit dem Werk von Lilia Folmer

Ich war auch als Referentin an mehreren Projekten tätig. Beispielsweise die die „Kreativwerkstatt“ 2017. Im Kunstteil malten die Teilnehmer gemeinsam mit mir Bilder zu Gedichten von Russlanddeutschen, die sie mit der Referentin Adelina Neiman schön rezitieren lernten. Meine Aufgabe war es, ein Bild im Gedicht zu finden und den Teilnehmern zu helfen, es visuell darzustellen. Wir produzierten Videos mit Gedichtlesungen, die über die Gemälde gelegt wurden.

Ich leitete auch ein Kreativprojekt für junge Menschen in Kaliningrad. Ende Oktober führte ich ein Workshop im Kultur- und Geschäftszentrum der Russlanddeutschen im Rahmen des Netzwerkprojekts „Offene Begegnungen“ durch.

„Offene Begegnungen“ mit Lilia Folmer

„Offene Begegnungen“ mit Lilia Folmer

- Lilia, Sie haben so viele interessante Dinge erzählt. Was inspiriert Sie? Woher nehmen Sie Kraft?

Meine größte Inspirationsquelle ist die Natur. Ich versuche, so oft wie möglich rauszugehen – in Parks, Wäldern, am Strand entlang, Sonnenuntergänge zu beobachten. Ich liebe es zu reisen. Ich lese Bücher. Ich unterhalte mich mit interessanten Menschen, nicht unbedingt kreativen, sondern einfach freundlichen und energiegeladenen. Mich inspirieren oft Erfolgsgeschichten anderer Künstler. Zum Beispiel Julius von Klever, ein russischer Landschaftsmaler deutscher Abstammung. Seine Werke waren, entgegen mancher alter Klischees, die Künstler hätten es schwer, ihren Lebensunterhalt zu verdienen, sehr gefragt und gut bezahlt. Er hatte sogar mehrere Lehrlinge, die die Untermalung übernahmen, und Juli Klewer fügte dann seine eigene Handschrift hinzu. Ich kann mich auch sehr gut mit dem Werk und der Weltanschauung von Claude Monet identifizieren. Auch er ließ sich von der Natur, dem Wasser, der Wasseroberfläche und ihren Spiegelungen inspirieren. Ich kann immer Natur malen. Und es fällt mir immer leicht. Ich freue mich sehr, wenn ich einen Landschaftsauftrag bekomme. Ich werde nie müde, sie zu malen. Eine weitere Inspirationsquelle der letzten Jahre ist der Blumenanbau. Ich habe bereits über 30 Rosensorten in meinem Garten und male sie sehr gerne. Momentan arbeite ich zum Beispiel an einem großen Ölgemälde im Format 100 x 100 cm. Und natürlich unterstützt mich meine Familie – mein Mann und meine Tochter – immer. Sie bewundern meine Arbeit und helfen mir, was auch sehr wichtig ist. So bekomme ich die Motivation und Kraft an weiteren Werken zu arbeiten.

Gemälde „Rose Pierre de Ronsard“ (2021) und „Iris“ (2025)

Gemälde „Rose Pierre de Ronsard“ (2021) und „Iris“ (2025)

Wir danken Lilia für das Gespräch, wünschen ihr viel kreativen Erfolg und freuen uns auf weitere spannende Projekte mit ihr.

Sie können das Werk von Lilia Folmer besser kennenlernen, indem Sie die Ausstellung „Licht und Farbe“ im Kunstraum „Sackheimer Tor“ in der Straße Litowski Wal 61 in Kaliningrad besuchen. Die Ausstellung ist bis zum 16. November täglich von 9:00 bis 21:00 Uhr geöffnet.