„Die Cranberries-Sonne“. Unter diesem metaphorischen Titel erschien eine Gedichtsammlung des Dichters Paul Blume aus Syktywkar. Wir sprachen mit ihm über seine Wurzeln, sein Schaffen und seine neue Dichtsammlung.
- Paul, erzählen Sie uns etwas über Ihre Wurzeln, Ihre Familie? Wie kamen Ihre Verwandten in die Republik Komi?
Mütterlicherseits reichen meine Wurzeln bis in die baltische Stadt Riga zurück. Dort wurde meine Urgroßmutter, Alexandra von Blume, geboren, wuchs dort auf und lebte dort. Nach dem Großen Vaterländischen Krieg wurden sie und ihr Sohn (mein Großvater) in die Republik Komi deportiert.
- Gibt es in Ihrer Familie noch deutsche Traditionen oder eine Art Familienerbstücke?
Ich denke, die Gedichte meines Großvaters Eugen von Blume sind für mich eine Art Familienerinnerung; er schrieb fünf Gedichtbände und 200 lyrische Lieder. Ich bewahre diese Bücher auf und denke, dass ich sie zusammen mit meinen eigenen Dichtbänden an meine Kinder weitergeben werde. Die Bücher meines Großvaters und meine stehen auch in der Bibliothek des Deutsch-Russischen Hauses in Moskau nebeneinander.
- Paul, wir sprechen mit Ihnen kurz vor dem Gedenk- und Trauertages der Russlanddeutschen. Sagen Sie, hatte Ihr Großvater Werke über das schwere Schicksal der Russlanddeutschen, über die Arbeitsarmee?
Ja, eines davon ist zum Beispiel „Behüte uns Gott“.
Urgroßvater sangen den Deutschen Gesang
Mit dem sie nach Russland gekommen.
Der Heimat, gewählten, gewidmeten Gang
Sind andere Lieder genommen!
Die Jugend – Zeit der Hoffnung Schimmer
Fäden binden die Zeiten so echt.
Bewahre und behüte uns Gott für immer
Zu leben fromm und gerecht!
Und tonte jahrelang in dem Wolgaland
Ein andres als Vater geworben.
In Arbeitsarmeen mit dem Deutschen Gesang,
Sind viele von ihnen gestorben.
Und heute, wo Reines uns leuchtet von Fern
Gram weicht, die Verbrechen umsteuert!
Nach Hunger, zwei Kriegen, wir glauben gern
Sind Russische Deutsche erneuert!
- In welchem Alter haben Sie mit dem Schreiben begonnen? Worum geht es in Ihren Gedichten?
Ich habe mit 17 angefangen, Gedichte zu schreiben. Anfangs fand ich es interessant, dann hat es mich gepackt und ich habe angefangen, in Zeitschriften und Lokalzeitungen meine Werke zu veröffentlichen. Und danach – mehr. Es erschienen Sammlungen, ich nahm an Literaturwettbewerben teil. Ich schreibe über alles: über mich selbst, Liebe, Menschen, Städte, Leben und Tod, über die wichtigen Dinge, die das Leben eines Menschen ausmachen…
- Wo entstehen deine Gedichte? Was inspiriert dich?
Normalerweise schreibe ich abends an meinem Lieblingstisch. Man muss mit sich allein sein. Zuerst kommen Gedanken, dann Reime, Rhythmus. Metaphern entstehen. Vieles inspiriert mich. Zum Beispiel Reisen oder Museumsbesuche, eine Reise in eine andere Stadt, die Natur oder der Austausch mit anderen Dichtern geben mir manchmal ein Thema oder ein Bild.
- Sie sind Mitglied der Künstlervereinigung der Russlanddeutschen und nehmen an den Projekten der „Avantgarde“ teil. Welches ist Ihr Lieblingsprojekt? Haben sie vielleicht gemeinsame Arbeiten mit anderen Schriftstellern?
Ja, ich versuche, an möglichst vielen Projekten teilzunehmen. Natürlich sind das vor allem Projekte, die sich mit der Geschichte, Kultur oder Literatur der Russlanddeutschen beschäftigen. Besonders beeindruckt hat mich das Projekt in Peredelkino, zu dem russlanddeutsche Künstler und Schriftsteller eingeladen waren. Den Lyrik-Workshop leitete die russische Dichterin Marina Kudimowa, die Lyrik-Sektion leitete die Professorin und Dichterin Elena Seifert.
Wen wir über dem letzten Projekt sprechen, so war ich einer der Teilnehmer des Kulturhistorischen Seminars in Moskau mit einem Bericht über den von mir organisierten Allrussischen Poesiewettbewerb „Goethes Nachfolger“. Und natürlich liebe ich den Diskussionsclub „Avantgarde“, wo man anderen zuhören und im Bereich Kultur, Geschichte und Literatur Gehör finden kann.
Ich bin immer offen für gemeinsame öffentliche Arbeit und gemeinsame Kreativität sowohl mit Künstlern und Musikern (sie schreiben Lieder zu meinen Gedichten) als auch mit Schriftstellern.
- Sie haben einige Zeit in Omsk gelebt und sogar die dortige National-kulturelle Autonomie der Russlanddeutschen geleitet. Warum sind Sie in Ihre Heimat zurückgekehrt und nehmen Sie dort am gesellschaftlichen Leben der Russlanddeutschen teil?
Ja, meine Heimat ist Syktywkar in der Republik Komi. Ich habe in Omsk an der nach F.M. Dostojewski benannten Staatlichen Universität Omsk studiert. Ich bin zurückgekehrt, weil ich in meiner Heimat Arbeit gefunden und eine Wohnung geerbt habe. Syktywkar liegt geografisch günstiger als Omsk. Von hier aus ist die Anreise viel einfacher.
Ich lerne derzeit Deutsch im Begegnungszentrum in Syktywkar. Ich nehme auch an den Feiertagen teil: Weihnachten und Ostern.
- Sie arbeiten in einer Bildungseinrichtung. Wie ist Ihr Umgang mit den Schülern? Bieten Sie Wahlkurse / Literaturworkshops an?
Ich arbeite derzeit an einer Schule in Syktywkar. Ich gebe zwei Wahlkurse in Poesie: einen für Erwachsene im Haus der Völkerfreundschaft der Republik Komi und einen für Kinder am Kunstgymnasium. Ich unterrichte „Metapher“ im Haus der Völkerfreundschaft und „Litota“ am Kunstgymnasium. Der Umgang mit Erwachsenen und Kindern macht mir großen Spaß. Meine „Schüler“ zeigen ihre kreativen und poetischen Talente. Das Wichtigste ist, ihnen zu helfen, an sich selbst zu glauben. Und wie man so schön sagt: „ Auf rauen Pfaden zu den Sternen...“.
- Sie waren früher oft im Radio zu hören? Haben Sie jetzt ähnliche Erfahrungen?
Ja, früher gab es regelmäßige Sendungen beim Radiosender „Europe Plus Komi“, wo ich freundlicherweise vom Direktor des Radiosenders, Andrei Jurkin, eingeladen wurde, wofür ich ihm sehr dankbar bin! Jetzt besuche ich am häufigsten den Radiosender „GTRK Komi Kor“, wo ich von der Radiomoderatorin Victoria Kassakowa eingeladen werde. Als ich dort das letzte Mal klang, sprach ich über den neuen Gedichtzyklus „80 nördliche Zeilen über den Krieg“ über die Helden der Republik Komi, den ich dem 80. Jahrestag des Sieges im Großen Vaterländischen Krieg widmete, und las Gedichte.
- Ihrer Social-Media-Seite nach zu urteilen, spielt Sport eine wichtige Rolle in Ihrem Leben. Wie hilft er bei Ihrer Dichtkunst?
Ich schwimme seit meiner Kindheit. Ich liebe Schwimmen, habe eine Sportkategorie und habe sogar eine Zeit lang als Schwimmlehrer gearbeitet. Jacques Yves Cousteau sagte: „Als ich die Tauchausrüstung erfand, war es, als wäre ich ins Weltall geflogen“. Schwimmen ist für mich also nicht nur ein Sport, sondern in gewisser Weise der Sinn des Lebens. Das letzte Mal nahm ich an einem Lehrerwettbewerb teil. Ich belegte den zweiten Platz. Und überhaupt habe ich einen Kindheitstraum: den Ärmelkanal zu durchschwimmen! Poesie ist auch Schwimmen: Man muss richtig rudern, atmen und Selbstvertrauen haben. Dann werden sich Ergebnisse zeigen.
- Vor nicht allzu langer Zeit ist Ihr Gedichtband „Die Cranberries-Sonne“ erschienen. Worum geht es darin? Wo kann man das Buch lesen oder kaufen?
Ja, mein Gedichtband „Die Cranberries-Sonne“ ist kürzlich erschienen. Das vielleicht Beste über meinem Buch sagte die Rezensentin, die Kulturschaffende und Dichterin Stefania Danilowa. Im Vorwort schreibt sie: „In diesem Buch geht es um Wachstum. Man muss wachsen, den Schmerz überwinden, größer als es werden. Und ein sinkendes Boot ist der Titanic nicht gewachsen, aber jeder ist so begierig darauf, es zu spielen… Der lyrische Held nimmt ein bescheidenes Los an, verlangt nicht das Unmögliche (das heißt nicht, dass man nicht wachsen muss!) – er ist ein ‚halber Reiskeil’, aber er ist trotzdem „gesprossen“, nicht vertrocknet und hat sich nicht in die Lücke zwischen den Parkettdielen gegraben. Und er wird so weit wachsen, wenn ‚der Text aus dem Rahmen fällt‘. Das Buch ist durchdrungen von Bildern des Nordens, von Beeren und Wäldern“.
„Die Hauptidee des neues Dichterbandes ist Kreativität und der Norden“, schreibt der Korrespondent der Zeitung „Respublika“, Artur Artejew.
Das Buch ist im „Bukinist“-Laden in Syktywkar erhältlich. Man könnte sich auch an mich wenden, ich schicke es gerne per Post zu.
- Welche anderen Gedichtbände haben Sie veröffentlicht?
Vor diesem Buch gab es mehrere. Ich möchte „Auf einer weißen Wolke…“ (2020) und vielleicht „Stadt“ (2018) erwähnen.
Wir danken Paul für das spannende Gespräch und wünschen ihm Inspiration und weiterhin viel Erfolg!